Mittwoch, 25. April 2012

Mädchen sein – Frau sein


Was lernt man eigentlich, wenn man auf Reisen ist?
Sicher lernt jeder etwas anderes, aber zumindest lernt doch ein jeder etwas über sich selbst, sein Selbst und vor allem sein Inneres.
Inzwischen bin ich siebenundzwanzig, diplomiert und erwachsen. Doch habe ich das Bild im Spiegel, daheim oder in Hotelzimmern, nie als Frau zu titulieren vermocht. Noch immer denke ich bei ihrem Anblick mehr an ein Mädchen, eine Jugendliche. Manchmal überrasche ich mich damit, dass ich sie bewusst als Frau tituliere. Dann sehe ich sie mit ganz anderen Augen. Sie sieht dann aber trotzdem genau gleich aus. Ist es nicht komisch, dass ich es nicht schaffe prinzipiell als ‚Frau‘ von mir zu denken? Immerhin gelte ich seit knapp 10 Jahren als erwachsen, bin wahlberechtigt und darf Alkohol trinken, bis ich es kaum mehr schaffe nach Hause zu laufen. Aber wenn man zwei Drittel seines bisherigen Lebens als Mädel angesprochen wurde und andere über sich selbst als Jugendliche hat reden hören, ist es eben doch schwierig mal eben, ab dem achtzehnten Geburtstag ein anderes Wort zu gebrauchen. Aber erwachsen werden fand ich sowieso immer doof. Deshalb habe ich damals auch Pipi Langstrumpf nachgemacht. Die Szene, in der sie mit ihren Freunden kleine Pillen nimmt und dazu die Beschwörungsformel „Liebe kleine Cumulus, lass uns niemals werden gruss“ aufsagt. Das habe ich mit allem Möglichen probiert. Kichererbsen. Bohnen. Linsen. Alles was Kind in der Küche halt so findet und was ähnlich klein ist, wie die Dinger, die Pipi da aus ihrer Küche holte.
Manchmal habe ich das Gefühl, dass eines meiner Küchen-Findungen gewirkt hat. Manchmal finde ich, kann ich die Frau im Spiegel nicht Frau nennen. Manchmal finde ich, dass Erwachsene echt komisch sind. Überhaupt. Erwachsen sein macht doch überhaupt keinen Spass. Man soll nicht spielen, soll keinen Blödsinn machen, alles was man tut soll Sinn machen, sinnvoll sein, auf ein Ziel abzielen. Wo bleibt denn da der Spass? Wo die Momente, die man einfach geniesst, ohne an den nächsten zu denken? Wieso soll ich nicht ab und an Dinge machen, die mir einfach gerade in den Sinn kommen. Gänzlich ohne Sinn zwar, aber doch mit dem Ergebnis, dass ich grinsend am Esstisch sitze (und alle erwachsenen um mich herum verwirrt aus der Wäsche schauen, worüber ich dann noch mehr grinsen kann). Mir ist, dank meiner Lebenserfahrung inzwischen natürlich bewusst, dass es Momente gibt, in denen das nicht angemessen ist. Auf privater, vor allem aber auf beruflicher Ebene. Und ihr dürft mir glauben, dass ich das zumeist auch differenzieren kann. Aber selbst auf beruflicher Ebene gibt es Ecken und Nischen im alltäglichen Leben, die etwas Blödsinn durchaus vertragen können. Ja, die den Alltag sogar viel ertragbarer machen. Zuweilen sogar spassig und schön. Und wenn ich zwischen all dem Ernst etwas Spass machen kann, fällt es mir auch nicht mehr schwer zwischendrin das Leben Ernst zu nehmen. Aber bitte wirklich nur zwischendrin. Der grösste Teil, so bitte ich, soll doch bitte ohne Sinn genossen werden dürfen. Ernst sein ist meiner Ansicht nach nämlich letzten Endes doch nicht alles. Und ja, ich werde, auch im beruflichen Umfeld, gerne jünger geschätzt als ich es bin. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Ab und an werde ich sogar fast zehn Jahre jünger geschätzt. Als wäre ich kurz nach meinem Achtzehnten. Also kann ich mir ja auch noch zehn Jahre Zeit lassen mit all den Überlegungen, ob nun Frau oder Jugendliche oder Mädchen.
Also kann ich dieses ganze Gegrübel darüber, ob ich jetzt gelernt habe, mich selbst als Frau zu sehen und darüber was man nun auf Reisen im allgemeinen lernt und wie erwachsen ich eigentlich bin und was das denn für Sinn macht lassen - und spielen gehen.

2 Kommentare:

  1. Die Menschen legen ihre Kindheit ab wie einen alten Hut. Sie vergessen sie wie eine Telefonnummer, die nicht mehr gilt. Früher waren sie Kinder, dann wurden sie Erwachsene,aber was sind sie nun?
    Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt ist ein Mensch.
    Erich Kästner

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  2. So ein tolles, passendes Zitat! Vielen lieben Dank - mit solchen Feedback fühlt das Thema sich plötzlich irgendwie normal und gar nicht mehr so kindisch an :) merci :-*

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