Das beste Mittel gegen Heimweh? Heimgehen!
Dass das bei mir aber gerade ein wenig ausser Frage steht,
könnt Ihr Euch sicher denken. Ich hatte aber das Glück, dass ein Stückchen
meiner Heimat mir ein tolles Geburtstagsgeschenk machte: Ein Stückchen dessen,
was mir Heimat ist, kam mich in Äthiopien besuchen!
Als wir am 6ten Februar aus Djibouti zurück nach Addis
kamen, war Kiki bereits da! Es folgte die übliche
Wiedersehens-Freudentanz-Jubelgequieck-Zeremonie. Danach hatte ich dann auch
Kapazitäten Stufi und Fabienne zu begrüssen, die ebenfalls als Besuch aus der
Schweiz angereist waren.
Direkt am nächsten Tag brachen wir auf. Sammelten das
gemietete Auto, sowie den Fahrer ein und begaben uns auf grosse Tour in den
Norden. Zwei vorne, drei auf der Rückbank und zwei auf den Notsitzen im
Kofferraum. Die Rucksäcke aufs Dach geschnallt und mit grossem AAAAHH! Und
OOOH! losgefahren.
Unsere Tour war folgende:
Debre Birhan – Woldia – Lalibela – Bahir Dar – Fiche
Die ersten beiden Orte waren nur Zwischenstopps, in denen
wir jeweils eine Nacht verbrachten. Debre Birhan wartet mit einem Hotel auf,
das einen sehr gepflegten Garten hat (Eva Hotel). Woldia begeisterte uns mit
einer abenteuerlich-englischen Speisekarte, die uns zum Lachen brachte
(„coocked vegetables“, „orental rice“ und „paper stack“). Besonders der
„orental rice“ war gourmetmässig: mit starkem Kerosingeschmack gewürzt und
daher nicht wirklich essbar.
In Lalibela verbrachten wir drei Nächte in einem wirklich
schönen Hotel mit Hinterhof-Garten, in dem es sich gemütlich sitzen lies.
Lalibela wir im Reiseknowhow als „eine der bedeutensten Manifestationen der
äthiopischen Kultur“ beschrieben, da sie eine Unmenge von
aus-dem-Fels-gehauenen Steinkirchen beherbergt. Man schätzt, dass es in ganz
Äthiopien an die 150 dieser Felsenkirchen gibt. Von diesen haben wir in
Lalibela selbst, innerhalb eines halben Tages, 11 besichtigen können. Der
Legende nach hat sie König Lalibela, nach dem die Stadt benannt wurde, nur mit
Hilfe eines Engels geschaffen. Eine andere Theorie besagt, dass viele tausend
Arbeiter daran beteiligt waren. Unser Guide lies uns selbst wählen, ob wir der
ersten oder der zweiten Idee Glauben schenken möchten. Ausserdem erzählte er
uns, dass der Stein so heilig sei, dass seine Berührung Kranke heilt und wir
nun definitiv „blessed“ seien – inklusive den nächsten 40 Generationen unserer
Familien. Alles in allem sind es sehr(!) viele Kirchen, die wir uns anschauten.
Aber auch sehr beeindruckende Stunden, die wir dabei verbrachten. Einige der
Kirchen sind durch Tunnel verbunden, manche davon sehr dunkel. Zum Betreten der
Kirchen zieht man sich die Schuhe aus, was wir an diesem Tag entsprechend oft
taten. Schuhe aus, rein, gucken, raus, Schuhe an, kurz gehen, Schuhe aus, rein,
gucken, raus, Schuhe an, ….. ;o)
Lalibela regierte bis 1207 nach Christus, in dieser Zeit
entstanden entsprechend auch die Kirchen. Er baute sie angeblich, da Gott ihm
erschienen war und ihm versprach, dass diese Kirchen bis zum Tag des jüngsten
Gerichts bestehen würden. Und wahrlich sind die meisten, trotz ihres Alters, in
einem unheimlich guten Zustand. Einige sind aber auch schon teilweise
eingestürzt. Auf manche darf man nicht drauf steigen, aufgrund der
Einsturzgefahr. Dennoch sind fast alle noch in Gebrauch und während der Führung
trifft man überall Gläubige beim Beten an. Insofern darf man den heiligen Stein
auch immer berühren, was uns Europäer, die wir Absperrseile,
Sicherheitshinweise und Berührungsverbot bei derartigen Kulturdenkmälern
gewohnt sind, zuweilen doch sehr erstaunt hat.
Lalibela war die erste Stadt hier, in der ich mich richtig
wohl fühlte. Durch die vielen, von den Kirchen angezogenen Touristen, sind die
Bewohner der Stadt daran gewöhnt. Entsprechend angenehm fühlt man sich als
Weisser, da man nicht ständig angesprochen wird und die Worte „YOU, give me
(my) MONEY“ nicht fallen (oder zumindest seltener). Natürlich wird man trotzdem
angebettelt. Gerade bei Kirchen finden sich viele Arme ein, da es hier zum
christlichen Glauben gehört, den Armen regelmässig etwas zu geben. Aber die Art
war netter und die Vehemenz mit denen sie ihre Anliegen verfolgten wesentlich
geringer. Meistens reichte ein Kopfschütteln oder „No“.
Versteht mich nicht falsch – ich würde an sich gerne jedem
etwas geben. Das wären dann aber pro Tag um die 20, wenn man viel unterwegs ist
entsprechend mehr. Zudem wird man oft gewarnt, dass man die Kinder damit dazu
erzieht, dass es auf der Strasse lukrativer ist, als in der Schule. Und den
Familienvätern, die durch den Bettelerfolg ihrer Kinder weniger Geld ins Haus
bringen als die Kleinen, nimmt man ihren Stolz und ihre Position in der
Familie.
Ein Junge von 16 Jahren, der dort zur Schule geht fragte
Dani, ob er mit uns mit gehen könnte. Das ist hier leider relativ oft eine
„Masche“ – man folgt den Touristen, gibt sich hier und da ein bisschen als
Guide und erwartet dann am Ende einen Lohn in Geldform dafür. Daher war die
erste Antwort eben auch, dass wir kein Geld geben würden. Der Junge wollte aber
auch keins – er wolle nur English mit uns reden, zur Übung. Er begleitete uns
dann auch fast zwei Tage lang, wann immer wir unterwegs waren. Auf dem Markt in
Lalibela erklärte er uns was was ist, schenkte Dani sogar eines dieser
Holzkreuzchens, die hier viele um den Hals tragen. Er führte uns umher,
erzählte uns von seinem Leben und zeigte uns sogar noch sein „Zimmer“: Mulugeta
(so sein Name) lebt alleine in Lalibela. Sein Bruder lernt in einer anderen
Stadt (höhere Schule), seine Mutter wohnt auf dem Land, der Vater ist
verstorben. Er selbst wohnt in einem kleinen Anbau an einem dieser Häuser, die
hier aus Holz und Matsch gebaut werden. Im Zimmer haben gerade mal sein Bett
und ein paar Bücher platz, die Wände hat er mit Zeitungen behangen, damit der
Matsch verdeckt ist. Auf seinem Bett lagen seine Schuluniformshose und noch ein
weiteres Kleidungsstück. Desweiteren gab es dort noch seine Schulbücher und ein
oder zwei Poster an der Wand. Als sein Bruder noch auf der gleichen Schule war,
teilten sie sich das ca einen Meter breite Bett. Die Tür zu diesem Raum ist
eigentlich ein Fenster. Also das Fenster. Denn der Raum hat nur eins. Statt
Glas gibt es ein Wellblechstück, mit dem die FensterTür geschlossen werden
kann. Die Miete für das Zimmer beträgt 200 Birr. Umgerechnet 10 Franken. 100
Birr bekommt er von seinem Bruder, den Rest muss er selbst auftreiben. Er
möchte gerne Ingenieur werden.
In unserem Hotel fand sich an unserem zweiten Tag eine
grössere Gruppe ein, die gemeinsam über eine Organisation mit einem Bus
unterwegs waren. Diese Truppe organisierte ein Fussballspiel mit, respektive
gegen, Locals (Abeshas), zu dem wir mit Mulugeta als Zuschauer gingen. Für mich
eine grossartige Möglichkeit mich selbst einmal als Sportphotograph zu testen –
was auch in ein paar grossartigen Bildern endete ;o). (Die kommen dann auch
irgendwann mal online)
Unterwegs fiel mir auf, dass der Junge nur für einen Schuh
Schnürsenkel hat. Und weil ich mir am Morgen auf dem Markt ein neues Band für
meine Kette gekauft hatte, knüpfte ich diese wieder auf und gab ihm das Band –
und bekam mehrere Dankesbekundungen zu hören (wenn man Geld gibt, bekommt man
meist überhaupt keinen Dank). Ich hätte in dem Moment gerne ein besseres Bändel
gekauft gehabt!
Als wir gegen Ende fragten, was wir ihm den geben könnten,
meinte Mulugeta, ob wir vielleicht ein T-Shirt hätten, dass wir nicht mehr
brauchen. Er besitzt nämlich nur eins. Und um Geld ging es ihm ja nicht.
Wir gaben ihm schliesslich ein Shirt und 50 Birr für die
Miete. Und das Versprechen ihm bald mal eine E-Mail zu schreiben. Er bedankte
sich und schien enorm überfordert. In diesem Fall schien Geben wirklich Sinn zu
machen. Wir verabschiedeten uns dann von ihm, da wir am nächsten Morgen
aufbrechen würden. Als wir eine Stunde später zum Abendessen aufbrachen, stand
er aber auch wieder vor dem Hotel – in seinem neuen T-Shirt. Wahrscheinlich ist
er direkt heimgerannt, hat sich umgezogen und ist zurück gekommen, um es uns zu
zeigen - und hat dafür (wieder einmal)
geduldigst gewartet. Ein wenig Leid tat er mir. Der Tag muss für ihn unheimlich
lang gewesen sein! Aber er war wirklich süss. Auch nach dem Abendessen stand er wieder da
und wartete auf uns – er wolle am Morgen kommen, um sich von uns zu
verabschieden, wann wir denn abfahren würden?
Und wirklich stand er am nächsten Morgen in aller
Herrgottsfrühe dort, zum Händeschütteln und Schulter-an-Schulter-Drücken. Zum
Abschied bekam auch ich noch ein HalskettenKreuzchen.
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Mulugeta und Dani |
In Bahir Dar verbrachten wir ebenfalls drei Nächte. Wir
genossen dort die schöne Terasse unseres Hotels, fuhren einmal mit dem Boot
raus und sahen sogar Hippos (leider aus weiter Ferne und nur zur Hälfte, da
sich der Rest der Tiere unter Wasser befand), Dani hatte ein dickes Bein
aufgrund eines Bienenstichs aus Lalibela und im Resort neben unserem Hotel gab
es wirklich phantastisches Essen! Wir besuchten ausserdem ein paar Kloster
(juhuu, noch mehr Kirchen) und fuhren zu den Blue Nile Falls. Diese müssen
früher wirklich beeindruckend gewesen sein. Heute werden 85% des Wassers kurz
vor den Fällen für ein Kraftwerk abgezogen und da wir zudem lange nach der Regenzeit
kamen, war nicht mehr viel Fall übrig. Dennoch war es ein schöner Anblick und
den Wassertest vollzogen wir dann auch direkt – in Unterwäsche.
Auf der Rückfahrt nächtigten wir noch eine Nacht in Fiche,
im selben Hotel, in dem Dani und ich auch bereits mit dessen Eltern waren. Wir
verzichteten diesmal aber auf den Gummiadler (hier explizit noch einmal
erwähnt, damit Fabi sich das Wort besser merken kann ;) und blieben bei den
Clubsandhexen.
Zurück in Addis hatten wir noch einen Abend mit Stufi, den
wir zwecks Abendessen im „La Mandoline“ schleppten. Ein französisches
Restaurant an der TeleBole (road) mit phänomenalem Mousse au Chocolat und einem
„Patre“ der immer wieder vorbei schaut
und uns den 3 Franken Wein wie einen 300 Franken Wein servierte. Zugegeben, so
viel Weinauswahl hat man hier nicht und der erwähnte war wirklich in Ordnung.
Dani und ich nahmen der Tradition gemäss zusammen 4 Desserts und kugelten
danach ins Bett.
Den letzten Tag mit Kiki besuchten wir noch den Shola Market
und das Cafe, von dem Starbucks abgeschaut hat (oder andersrum? Man weiss es
nicht). Der Markt war super, man verglich mich mal wieder mit einer, hier sehr
bekannten Sängerin, genannt „Saritu“ und Kiki machte grossartige Photos,
während Fabienne und Dani unsere Einkaufsliste abarbeiteten.
Am 19ten musste Kiki leider wieder gen Heimat. MöP! Schade das!
Aber.. DANKE! Ein wirklich fettes Danke an unseren Besuch!
Die Tour mit Euch war super und hat enorm Spass gemacht! Ich wünsche Euch für
die Zeit bis zu unserer Rückkehr jede Menge Speisekarten mit-ohne cocked rice
und dass ihr niemals wieder in den Genuss von Kerosenbrot geratet. ;o)