Dienstag, 21. Februar 2012

Unterwegs mit Freunden


Das beste Mittel gegen Heimweh? Heimgehen!
Dass das bei mir aber gerade ein wenig ausser Frage steht, könnt Ihr Euch sicher denken. Ich hatte aber das Glück, dass ein Stückchen meiner Heimat mir ein tolles Geburtstagsgeschenk machte: Ein Stückchen dessen, was mir Heimat ist, kam mich in Äthiopien besuchen!

Als wir am 6ten Februar aus Djibouti zurück nach Addis kamen, war Kiki bereits da! Es folgte die übliche Wiedersehens-Freudentanz-Jubelgequieck-Zeremonie. Danach hatte ich dann auch Kapazitäten Stufi und Fabienne zu begrüssen, die ebenfalls als Besuch aus der Schweiz angereist waren.

Direkt am nächsten Tag brachen wir auf. Sammelten das gemietete Auto, sowie den Fahrer ein und begaben uns auf grosse Tour in den Norden. Zwei vorne, drei auf der Rückbank und zwei auf den Notsitzen im Kofferraum. Die Rucksäcke aufs Dach geschnallt und mit grossem AAAAHH! Und OOOH! losgefahren.
Unsere Tour war folgende:
Debre Birhan – Woldia – Lalibela – Bahir Dar – Fiche
Die ersten beiden Orte waren nur Zwischenstopps, in denen wir jeweils eine Nacht verbrachten. Debre Birhan wartet mit einem Hotel auf, das einen sehr gepflegten Garten hat (Eva Hotel). Woldia begeisterte uns mit einer abenteuerlich-englischen Speisekarte, die uns zum Lachen brachte („coocked vegetables“, „orental rice“ und „paper stack“). Besonders der „orental rice“ war gourmetmässig: mit starkem Kerosingeschmack gewürzt und daher nicht wirklich essbar.

In Lalibela verbrachten wir drei Nächte in einem wirklich schönen Hotel mit Hinterhof-Garten, in dem es sich gemütlich sitzen lies. Lalibela wir im Reiseknowhow als „eine der bedeutensten Manifestationen der äthiopischen Kultur“ beschrieben, da sie eine Unmenge von aus-dem-Fels-gehauenen Steinkirchen beherbergt. Man schätzt, dass es in ganz Äthiopien an die 150 dieser Felsenkirchen gibt. Von diesen haben wir in Lalibela selbst, innerhalb eines halben Tages, 11 besichtigen können. Der Legende nach hat sie König Lalibela, nach dem die Stadt benannt wurde, nur mit Hilfe eines Engels geschaffen. Eine andere Theorie besagt, dass viele tausend Arbeiter daran beteiligt waren. Unser Guide lies uns selbst wählen, ob wir der ersten oder der zweiten Idee Glauben schenken möchten. Ausserdem erzählte er uns, dass der Stein so heilig sei, dass seine Berührung Kranke heilt und wir nun definitiv „blessed“ seien – inklusive den nächsten 40 Generationen unserer Familien. Alles in allem sind es sehr(!) viele Kirchen, die wir uns anschauten. Aber auch sehr beeindruckende Stunden, die wir dabei verbrachten. Einige der Kirchen sind durch Tunnel verbunden, manche davon sehr dunkel. Zum Betreten der Kirchen zieht man sich die Schuhe aus, was wir an diesem Tag entsprechend oft taten. Schuhe aus, rein, gucken, raus, Schuhe an, kurz gehen, Schuhe aus, rein, gucken, raus, Schuhe an, ….. ;o)
Lalibela regierte bis 1207 nach Christus, in dieser Zeit entstanden entsprechend auch die Kirchen. Er baute sie angeblich, da Gott ihm erschienen war und ihm versprach, dass diese Kirchen bis zum Tag des jüngsten Gerichts bestehen würden. Und wahrlich sind die meisten, trotz ihres Alters, in einem unheimlich guten Zustand. Einige sind aber auch schon teilweise eingestürzt. Auf manche darf man nicht drauf steigen, aufgrund der Einsturzgefahr. Dennoch sind fast alle noch in Gebrauch und während der Führung trifft man überall Gläubige beim Beten an. Insofern darf man den heiligen Stein auch immer berühren, was uns Europäer, die wir Absperrseile, Sicherheitshinweise und Berührungsverbot bei derartigen Kulturdenkmälern gewohnt sind, zuweilen doch sehr erstaunt hat.

Lalibela war die erste Stadt hier, in der ich mich richtig wohl fühlte. Durch die vielen, von den Kirchen angezogenen Touristen, sind die Bewohner der Stadt daran gewöhnt. Entsprechend angenehm fühlt man sich als Weisser, da man nicht ständig angesprochen wird und die Worte „YOU, give me (my) MONEY“ nicht fallen (oder zumindest seltener). Natürlich wird man trotzdem angebettelt. Gerade bei Kirchen finden sich viele Arme ein, da es hier zum christlichen Glauben gehört, den Armen regelmässig etwas zu geben. Aber die Art war netter und die Vehemenz mit denen sie ihre Anliegen verfolgten wesentlich geringer. Meistens reichte ein Kopfschütteln oder „No“.
Versteht mich nicht falsch – ich würde an sich gerne jedem etwas geben. Das wären dann aber pro Tag um die 20, wenn man viel unterwegs ist entsprechend mehr. Zudem wird man oft gewarnt, dass man die Kinder damit dazu erzieht, dass es auf der Strasse lukrativer ist, als in der Schule. Und den Familienvätern, die durch den Bettelerfolg ihrer Kinder weniger Geld ins Haus bringen als die Kleinen, nimmt man ihren Stolz und ihre Position in der Familie.
Ein Junge von 16 Jahren, der dort zur Schule geht fragte Dani, ob er mit uns mit gehen könnte. Das ist hier leider relativ oft eine „Masche“ – man folgt den Touristen, gibt sich hier und da ein bisschen als Guide und erwartet dann am Ende einen Lohn in Geldform dafür. Daher war die erste Antwort eben auch, dass wir kein Geld geben würden. Der Junge wollte aber auch keins – er wolle nur English mit uns reden, zur Übung. Er begleitete uns dann auch fast zwei Tage lang, wann immer wir unterwegs waren. Auf dem Markt in Lalibela erklärte er uns was was ist, schenkte Dani sogar eines dieser Holzkreuzchens, die hier viele um den Hals tragen. Er führte uns umher, erzählte uns von seinem Leben und zeigte uns sogar noch sein „Zimmer“: Mulugeta (so sein Name) lebt alleine in Lalibela. Sein Bruder lernt in einer anderen Stadt (höhere Schule), seine Mutter wohnt auf dem Land, der Vater ist verstorben. Er selbst wohnt in einem kleinen Anbau an einem dieser Häuser, die hier aus Holz und Matsch gebaut werden. Im Zimmer haben gerade mal sein Bett und ein paar Bücher platz, die Wände hat er mit Zeitungen behangen, damit der Matsch verdeckt ist. Auf seinem Bett lagen seine Schuluniformshose und noch ein weiteres Kleidungsstück. Desweiteren gab es dort noch seine Schulbücher und ein oder zwei Poster an der Wand. Als sein Bruder noch auf der gleichen Schule war, teilten sie sich das ca einen Meter breite Bett. Die Tür zu diesem Raum ist eigentlich ein Fenster. Also das Fenster. Denn der Raum hat nur eins. Statt Glas gibt es ein Wellblechstück, mit dem die FensterTür geschlossen werden kann. Die Miete für das Zimmer beträgt 200 Birr. Umgerechnet 10 Franken. 100 Birr bekommt er von seinem Bruder, den Rest muss er selbst auftreiben. Er möchte gerne Ingenieur werden.

In unserem Hotel fand sich an unserem zweiten Tag eine grössere Gruppe ein, die gemeinsam über eine Organisation mit einem Bus unterwegs waren. Diese Truppe organisierte ein Fussballspiel mit, respektive gegen, Locals (Abeshas), zu dem wir mit Mulugeta als Zuschauer gingen. Für mich eine grossartige Möglichkeit mich selbst einmal als Sportphotograph zu testen – was auch in ein paar grossartigen Bildern endete ;o). (Die kommen dann auch irgendwann mal online)

Unterwegs fiel mir auf, dass der Junge nur für einen Schuh Schnürsenkel hat. Und weil ich mir am Morgen auf dem Markt ein neues Band für meine Kette gekauft hatte, knüpfte ich diese wieder auf und gab ihm das Band – und bekam mehrere Dankesbekundungen zu hören (wenn man Geld gibt, bekommt man meist überhaupt keinen Dank). Ich hätte in dem Moment gerne ein besseres Bändel gekauft gehabt!

Als wir gegen Ende fragten, was wir ihm den geben könnten, meinte Mulugeta, ob wir vielleicht ein T-Shirt hätten, dass wir nicht mehr brauchen. Er besitzt nämlich nur eins. Und um Geld ging es ihm ja nicht.
Wir gaben ihm schliesslich ein Shirt und 50 Birr für die Miete. Und das Versprechen ihm bald mal eine E-Mail zu schreiben. Er bedankte sich und schien enorm überfordert. In diesem Fall schien Geben wirklich Sinn zu machen. Wir verabschiedeten uns dann von ihm, da wir am nächsten Morgen aufbrechen würden. Als wir eine Stunde später zum Abendessen aufbrachen, stand er aber auch wieder vor dem Hotel – in seinem neuen T-Shirt. Wahrscheinlich ist er direkt heimgerannt, hat sich umgezogen und ist zurück gekommen, um es uns zu zeigen  - und hat dafür (wieder einmal) geduldigst gewartet. Ein wenig Leid tat er mir. Der Tag muss für ihn unheimlich lang gewesen sein! Aber er war wirklich süss.  Auch nach dem Abendessen stand er wieder da und wartete auf uns – er wolle am Morgen kommen, um sich von uns zu verabschieden, wann wir denn abfahren würden?
Und wirklich stand er am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe dort, zum Händeschütteln und Schulter-an-Schulter-Drücken. Zum Abschied bekam auch ich noch ein HalskettenKreuzchen.

Mulugeta und Dani


In Bahir Dar verbrachten wir ebenfalls drei Nächte. Wir genossen dort die schöne Terasse unseres Hotels, fuhren einmal mit dem Boot raus und sahen sogar Hippos (leider aus weiter Ferne und nur zur Hälfte, da sich der Rest der Tiere unter Wasser befand), Dani hatte ein dickes Bein aufgrund eines Bienenstichs aus Lalibela und im Resort neben unserem Hotel gab es wirklich phantastisches Essen! Wir besuchten ausserdem ein paar Kloster (juhuu, noch mehr Kirchen) und fuhren zu den Blue Nile Falls. Diese müssen früher wirklich beeindruckend gewesen sein. Heute werden 85% des Wassers kurz vor den Fällen für ein Kraftwerk abgezogen und da wir zudem lange nach der Regenzeit kamen, war nicht mehr viel Fall übrig. Dennoch war es ein schöner Anblick und den Wassertest vollzogen wir dann auch direkt – in Unterwäsche.  

Auf der Rückfahrt nächtigten wir noch eine Nacht in Fiche, im selben Hotel, in dem Dani und ich auch bereits mit dessen Eltern waren. Wir verzichteten diesmal aber auf den Gummiadler (hier explizit noch einmal erwähnt, damit Fabi sich das Wort besser merken kann ;) und blieben bei den Clubsandhexen.
Zurück in Addis hatten wir noch einen Abend mit Stufi, den wir zwecks Abendessen im „La Mandoline“ schleppten. Ein französisches Restaurant an der TeleBole (road) mit phänomenalem Mousse au Chocolat und einem „Patre“ der  immer wieder vorbei schaut und uns den 3 Franken Wein wie einen 300 Franken Wein servierte. Zugegeben, so viel Weinauswahl hat man hier nicht und der erwähnte war wirklich in Ordnung. Dani und ich nahmen der Tradition gemäss zusammen 4 Desserts und kugelten danach ins Bett.

Den letzten Tag mit Kiki besuchten wir noch den Shola Market und das Cafe, von dem Starbucks abgeschaut hat (oder andersrum? Man weiss es nicht). Der Markt war super, man verglich mich mal wieder mit einer, hier sehr bekannten Sängerin, genannt „Saritu“ und Kiki machte grossartige Photos, während Fabienne und Dani unsere Einkaufsliste abarbeiteten.

Am 19ten musste Kiki leider wieder gen Heimat. MöP! Schade das!
Aber.. DANKE! Ein wirklich fettes Danke an unseren Besuch! Die Tour mit Euch war super und hat enorm Spass gemacht! Ich wünsche Euch für die Zeit bis zu unserer Rückkehr jede Menge Speisekarten mit-ohne cocked rice und dass ihr niemals wieder in den Genuss von Kerosenbrot geratet. ;o) 

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